Bereits in den ersten Minuten lebt der Film von Kontrasten und es wird klar, dass es sich hier nicht um einen typischen Abenteuerfilm handelt. Die Gewalt ist immer unterschwellig und doch unerbittlich. Der junge Regisseur betrachtet seine Umwelt auf liebenvollere Art und Weise als seine Vorgänger, er ist ein weiserer Beobachter. Bei drei der Heranwachsenden zeigt er beispielsweise, wie sie ein tiefes moralisches Bewusstsein für die Frage nach der Schuld entwickeln, was bei den durch MTV und Bier aufgeputschten Kids in den Filmen von heute eher ungewöhnlich ist. Jacob Estes vermeidet gekonnt jegliche Form des Manichäismus und zeigt subtil sowohl die Schatten- als auch Lichtseiten der Heranwachsenden, und dank des perfekt abgestimmten Drehbuchs gelingt es ihm, die Zweifel und die Spannung in seiner Erzählung aufrecht zu erhalten, die ständig zwischen Komödie und Drama schwankt und doch nie an Glaubwürdigkeit verliert.
Marty leiht sich den Revolver seines grobschlächtigen Stiefvaters, der im richtigen Augenblick die richtigen Worte findet. Während er die Tankstelle überfällt, weint er, seine Welt ist in sich zusammengebrochen. Nicht nur die beeindruckende schauspielerische Leistung der jungen Darsteller, sondern auch die psychologische Ausgestaltung der Personen führt zur vollständigen Identifikation mit den Figuren. Die Jugendlichen in Mean Creek sind wie alle anderen auch, sie träumen von scharfen Mädels (J-Lo), sie träumen von Rache an ihren Lehrern, sie haben Herzklopfen vor ihrem Liebesrendezvous, rauchen ihre erste Zigarette...
Doch in der idyllischen, friedvollen Landschaft macht ihr heranwachsender Stolz sie blind und zerreißt sie mit unerwarteter Macht. Manche Einstellungen erinnern an Terence Malick: Eine Schnecke und die Natur beobachten sie. Ein wütendes junges Mädchen tötet die Schnecke voller Perfektion auf einem Baumstumpf, doch die Natur bleibt die Siegerin. Die Kinder suchen Erlösung und Vergebung, die sie jedoch nie finden werden, solange die stupide Dumpfheit des Unfalls, diese riesige Überraschung vor dem Tod, sich nicht erhellt." (Delphine Valloire, www.arte-tv.com)
" In seiner Schule ist der schmächtige Sam nicht der einzige, der von seinem korpulenten Klassenkameraden George schikaniert und verprügelt wird, denn dieser lässt seine Wut oft wie aus heiterem Himmel an anderen aus. Mit deutlichen Spuren im Gesicht berichtet Sam seinem großen Bruder Rocky davon und der findet, George verdiene endlich einen Denkzettel. Der Racheplan, an dem sich Rockys Freunde Clyde und Marty begeistert beteiligen, sieht vor, George zu einem gemeinsamen Bootsausflug zu überreden und ihn dabei im ganz wörtlichen Sinn bloßzustellen. Sams gleichaltrige Freundin Millie, die erst beim gemeinsamen Bootsausflug eingeweiht wird, hat jedoch Skrupel, zumal sie findet, dass George auch sympathische Seiten an sich hat und im Grunde genommen zu bedauern ist. Gegen Martys Widerstand, der selbst unter einem gewaltbereiten älteren Bruder zu leiden hat, wird der Plan daher abgebrochen. Doch dann kommt es zwischen Marty und George zu einem Streit, bei dem George im Fluss ertrinkt. Geschockt beraten die ungleichen Freunde, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen. – In seinem beeindruckenden Spielfilmdebüt, das beim renommierten Sundance Film Festival ausgezeichnet wurde, erzählt Jacob Estes, wie sich aus Rachegelüsten tödlicher Ernst entwickelt. Ohne die üblichen Dramatisierungen des Hollywoodkinos, in ruhigen Bildern und mit einer subtil eingesetzten Musikuntermalung geht der verstörende Film intensiv und ohne pädagogischen Zeigefinger den Fragen nach, auf welche Weise und bis zu welchem Punkt auch junge Menschen Verantwortung für die Folgen ihrer Handlungen übernehmen müssen und unter welchen Voraussetzungen sich moralische Grundsätze entwickeln beziehungsweise außer Kraft gesetzt werden. Ein Film, dem es gelingt, dem Dauerthema „Jugend und Gewalt“ weitere nachdenkenswerte Facetten hinzuzufügen." (ht, kinofenster.de)